Transkript

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Hallo und herzlich willkommen bei Coconut-Talk, deinem Podcast über das Leben in Indonesien!

Ich bin deine Gastgeberin Gunda und gemeinsam mit meinen Gästen werden wir die zahlreichen Inseln Indonesiens entdecken.

Freu dich auf spannende, kuriose und manchmal auch kritische Themen.

Viel Spaß beim Zuhören und beim Erkunden des größten Inselreichs der Welt!

Gunda: Selamat datang und herzlich willkommen zu unserer heutigen Folge bei Coconut-Talk. Bei mir ist heute der Wolfgang. Wolfgang kommt ursprünglich aus der Nähe von Stuttgart und lebt mittlerweile in Kenia – also eigentlich eine etwas andere Ecke als Indonesien, aber Wolfgang war fünf Jahre lang in Kalimantan und zwar von 2012 bis 2016. Dort hat er bei einem ganz besonderen Projekt mitgeholfen bzw. das Projekt eigentlich mit aufgebaut. Darüber werden wir heute hauptsächlich sprechen: Es handelt sich um Fairventures Worldwide – das sei schon mal vorab gesagt.

Wolfgang, schön, dass du bei mir bist! Hallo und herzlich willkommen.

Wolfgang: Hi! Ja, sehr gerne und vielen Dank für die Einladung.

Gunda: Ja, sehr gerne. Ich bin gespannt, wie unser Gespräch heute wird.

Magst Du vielleicht zu Anfang erstmal selber ein bisschen was dazu sagen, was Du aktuell machst?

Wolfgang: Ja, das kann ich gerne machen. Mein Name ist Wolfgang mit Nachnamen Baum. Wenn wir gleich aufs Thema von unserem Projekt zu sprechen kommen, werdet ihr sehen, warum das ein bisschen witzig ist. Ich wohne momentan in Nairobi in Kenia und bin Geschäftsführer bei der deutschen Organisation Fairventures Worldwide, die Aufforstungsprojekte – hier kommt’s – in Indonesien und Uganda durchführt.

Jetzt kann man sich natürlich fragen, warum ich in Nairobi wohne. Das liegt daran, dass meine Partnerin hier eine Stelle bei der UN hat und ich mitgegangen bin.

Momentan findet ja sowieso das meiste online statt, da macht es nicht so einen großen Unterschied, ob das in Stuttgart, Berlin, Nairobi oder Palangka Raya in Kalimantan ist. Wenn sich die Lage wieder beruhigt, werden wir mal sehen, wie das weitergehen wird.

Ich hab’s gerade schon gesagt: Aufforstungsprojekte. Fairventures ist eine deutsche Nonprofit-Organisation mit Büro in Stuttgart. Wir haben zwei Länderbüros in Indonesien und in Uganda. In Indonesien in Palangka Raya in Zentral-Kalimantan und in Uganda in der Hauptstadt Kampala.

Unser Ansatz ist es nicht fruchtbare ehemalige Regenwaldflächen wieder aufzuforsten mit einer Mischung aus schnellwachsenden Hölzern und Lebensmitteln. Damit möchten wir der lokalen Bevölkerung ein nachhaltiges Einkommen ermöglichen und diese Flächen irgendwie wiederherstellen. Insbesondere möchten wir die Ressource Holz, die ja sowieso gebraucht wird, auf eine nachhaltige und schonende Art und Weise produzieren und damit last but not least natürlich auch zum Klimaschutz beizutragen. Jeder natürlich wachsende Baum entnimmt der Atmosphäre Kohlenstoff und lagert den ein und wenn dann aus dem Baum im nächsten Schritt ein Möbelstück oder Haus oder sonst irgendwas wird, dann lagert der Kohlenstoff das sogar für relativ lange ein.

Das ist eigentlich noch unser zweites Thema für die Arbeit an der Wertschöpfungskette Holz. Zusammen mit den Unternehmen schauen wir, was daraus für Produkte entstehen und was man gegebenenfalls Neues machen könnte. Deutschland, Österreich, Schweiz sind ja tatsächlich eine der fortgeschrittensten Regionen beim Holzbau. Da gibt’s viel Wissen bei uns in der Region, das in anderen Ländern nicht vorhanden ist. Das heißt, wir können auch viel über Wissenstransfer machen, Schulungen, Kontakte herstellen, Unternehmen vernetzen und diese ganzen Sachen.

Ja, das ist so also wirklich in der kleinsten, kürzesten, denkbaren Form das, was wir tun. Da ist natürlich schon noch mal ein bisschen mehr dran, aber da gehen wir dann vielleicht gleich noch drauf ein.

Gunda: Super. Ich finde das ganz interessant, dass du gleich gesagt hast, dass Holz in verarbeiteter Form auch CO2 lagert. Also ich wusste das, ehrlich gesagt, nicht . Ich habe gedacht: okay, man holzt den Baum ab und dann ist es vorbei mit dem Baum, aber das er trotzdem noch im Nachhinein eine positive Auswirkung haben kann, das war mir eher unbekannt.

Aber kommt das dann drauf an, wie es verarbeitet wird oder auf was muss man da achten?

Wolfgang: Ja, das ist einfach. Ich meine Holz hat ja ganz verschiedene Nutzungsformen und wenn ein Baum eben wächst, ist Fotosynthese der Prozess, indem der Baum aus der Luft CO2 aufnimmt und es den Kohlenstoff C spaltet – das wird einfach zu Zellmaterial für den Baum. Und der Sauerstoff, das ist O2, wird eben wieder freigesetzt. Darum sagt man auch, dass Wälder die Lunge unseres Planeten sind, weil sie eben ne

den Sauerstoff für uns produzieren so und der Kohlenstoff ist dann erstmal im Stamm, in den Ästen, in den Wurzeln und auch ein bisschen in den Blättern und der verrotteten Biomasse, die unter dem Baum durch Runterfallen der Blätter und Zweige entsteht, enthalten.

Wenn jetzt z. B. ein Baum natürlich stirbt und verrottet, dann entweicht der Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre. Wenn man Baum z. B. zu Brennholz zersägt, dann setzt der Prozess des Verbrennens das natürlich schneller als bei der Verrottung wieder frei.

Wenn man das jetzt aber hingegen wirklich dauerhaft irgendwo verbaut und dauerhaft – es muss jetzt nicht heißen für immer, aber vielleicht 14 Jahre oder 20 Jahre oder 50 Jahre oder im Fall von so manchem deutschen Fachwerkhaus auch mal 500 Jahre – dann bleibt das eben tatsächlich da drin enthalten.

Das ist der Unterschied. Wenn man den Baum aufzieht, nimmt er CO2 auf. Wenn man ihn verbrennt, setzt man das Kohlenstoff wieder frei. Das heißt im Endeffekt ist dieser Prozess neutral. Wenn man Kohle aus der Erde verbrennt, dann wird CO2 freigesetzt, das vor Millionen von Jahren eingelagert wurde. Und wenn man den Baum aufzieht und irgendwo verbaut, dann entnimmt man tatsächlich für einen gewissen Zeitraum der Atmosphäre CO2. Also das muss man wirklich ein bisschen durchdenken.

Früher was mein erster Impuls auch immer: oh, Bäume fällen, das ist erstmal schlecht und Abholzung? Auf gar keinen Fall! Lasst die Bäume stehen.

Gunda: Ja, interessant.

Jetzt sind wir schon voll in die Materie eingestiegen. Fangen wir doch mal am Anfang an. Wie bist du denn überhaupt zu Fairventures World Wide gekommen?

Wolfgang: Ja, also, ich habe in Tübingen studiert – Islamwissenschaft und Geschichte, ganz naheliegende Fächer, die auf jeden Fall jeder studiert haben sollte, der in einem Aufforstungsprojekt arbeitet.

Ich war dann in meinem Auslandsjahr in Ägypten und habe dort freiwillig bei einer NGO mitgearbeitet. Dort habe ich dann nach und nach verstanden: ok, ich möchte eigentlich beruflich in die Entwicklungszusammenarbeit gehen.

Und dann habe ich dort ein Praktikum gemacht und direkt, nachdem ich wieder in Deutschland war, habe ich mich im Süddeutschen Raum umgeguckt, wer was macht.

Schließlich habe ich eine Organisation gefunden: Swiss Contact Germany. Das war im Endeffekt der Geschäftsführer Johannes Schwegler, der auch heute noch dabei ist. Damals war die Organisation noch Tochter von der Schweizer Stiftung, mittlerweile sind wir unter anderem Namen unabhängig.

Über dieses Praktikum habe ich im Endeffekt einen Fuß in die Tür gekriegt. Ich musste natürlich noch mal zurück an die Uni zum fertig studieren und als ich dann fertig war, sind wir wieder ins Gespräch gekommen und es hat sich rausgestellt, dass eben genau diese Unabhängigkeit von Swiss Contact im Raum steht und wir darum auch eigene Projekte aufbauen möchten.

Johannes wollte gerne was in Indonesien anschieben, weil er zu dem Land auch eine enge persönliche Verbindung hat – er hatte da mit seiner Familie 8 Jahre gewohnt von Mitte der 90er bis in die frühen 2000er.

Von daher war es natürlich das naheliegendste Land, um ein Projekt aufzuziehen.

Im Jahr 2012 bin ich dann mit ein paar Telefonnummern im Gepäck runter. Ich war davor noch nie in Indonesien oder in Südostasien, aber zumindest mal viel im Nahen Osten und in Entwicklungsländern. Das heißt, so komplett überraschend war es jetzt nicht, aus dem westlichen Kulturkreis rauszutreten.

Dort haben wir angefangen, ganz breitgefächert zu gucken, was wir machen können und sind nach einiger Zeit zu diesem Aufforstungsthema gekommen. Ich habe dann zusammen mit lokale Kollegen, die wir nachher auch eingestellt haben – das waren zum Teil alte Kontakte von Johannes aus seiner Zeit in Indonesien – angefangen, die ersten Bäume zu pflanzen und die ersten Bauern zu finden.

So hat sich das dann entwickelt. Nicht ganz die übliche Geschichte. Normalerweise hat man ja irgendwie ein Projekt und ein klares Ziel und dafür reist man dann aus und weiß man auch schon, wie lange das geht. Bei mir war das ein bisschen der Sprung ins kalte Wasser, aber um ehrlich zu sein, war es eine der besten Entscheidungen überhaupt, das zu machen und nicht davor zurückzuschrecken, dass so viel Unklarheit dabei war. Nach dem Studium einfach zu sagen: okay, Indonesien kenne ich nicht, aber klingt gut, das mache ich jetzt.

Gunda: Das heißt, es war auch anfangs gar nicht der Plan irgendwas mit Aufforstung zu machen?

Wolfgang: Ja genau. Also die Schweizer Stiftung, aus der wir da hervorgegangen sind, die hat mit Aufforstung nichts zu tun. Die arbeiten auch ein bisschen mit diesem Wertschöpfungsketten-Ansatz, aber eigentlich nicht in der Forstwirtschaft.

Die Aufgabenstellung war am Anfang tatsächlich irgendwie einen Ansatz zu entwickeln oder einen Ansatz zu finden, mit dem wir in Kalimantan die Entwaldung stoppen können.

Da wir nicht aus der Umweltschutz-Ecke kommen, sondern aus der Entwicklungszusammenarbeits-Ecke war klar, der Ansatz muss irgendwas damit zu tun haben, was die Leute machen können und wie sie ihr Geld verdienen können.

Ich glaube, kein Mensch auf der Welt ist irgendwie glücklich dabei, den Regenwald zu zerstören. Das macht keiner als Hobby oder weil es Spaß macht, sondern da stecken ja ganz konkrete ökonomische Nöte dahinter und bis zum gewissen Grad Alternativlosigkeit. Das war eigentlich das, was wir uns überlegt haben.

Wir haben auch schon in verschiedene andere Sachen rein geguckt, also in Gummibäume über verschiedene andere landwirtschaftliche Geschichten und sind dann bei diesen Bäumen gelandet, weil wir im Endeffekt gesehen haben, dass es dafür in Indonesien einen echten Markt gibt. Sie wachsen relativ schnell, sie haben nebenbei eine sehr gute Klima Wirkung und es funktioniert eben nochmal doppelt gut, wenn wir einmal diese abgeholzten Flächen mit Bäumen aufforsten und damit auch den Boden verbessern und Erosion vorbeugen und gleichzeitig genau den Rohstoff liefern, der zum guten Teil dafür gesorgt hat, dass die Flächen überhaupt erstmals abgeholzt wurden.

Das kam dann alles irgendwie zusammen und hat Sinn gemacht und macht auch heute sieben, acht Jahre später, immer noch Sinn.

Gunda: Und die Flächen: Wem gehören die denn eigentlich? Gehören die den Bauern oder der Regierung? Wie kamst du überhaupt zu den Flächen?

Wolfgang: Ja, das ist eine sehr gute Frage, die auch häufig gestellt wird.

Also erstmal muss man sagen, dass in Indonesien diese Landrechtssituation oft nicht vollständig geklärt ist. Eigentlich gehören alle Flächen in Kalimantan der Regierung, es sind nationale Forstflächen und die Kleinbauern vor Ort, die da zum Teil schon seit mehreren Generationen drauf wirtschaften, sagen natürlich: Das ist mein Feld.

Gewohnheitsrechtlich würde man das auch so sagen, sie haben aber halt keinen Brief oder kein Zertifikat, dass es beweist. Das war früher auch echt ein Problem, aber Indonesien hat ja glücklicherweise mittlerweile auch einen Demokratisierungsprozess durchlaufen und die Lokalregierung wird auch gestellt von Leuten, die tatsächlich von einem Vorort kommen. Das heißt, die kennen diese Problematiken und Landraub oder Verdrängung ist in den meisten Teilen in Indonesien nicht mehr so ein großes Problem.

Also es gibt auch noch Papua, das ist ein ganz anderes schwieriges Thema, da bin ich auch nicht die richtige Person, drüber zu reden, aber in Kalimantan ist es zumindest so, dass sie nicht wirklich einen Brief dafür haben, aber es wird ihnen gewährt, dass sie es bewirtschaften.

Wir sind aber natürlich auch dran interessiert, eine Lösung zu finden und es ist insbesondere gerade jetzt interessant, weil die ersten Bäume bzw. der erste Jahrgang von Bäumen, den wir damals ganz am Projektanfang gepflanzt haben, ist nächstes Jahr erntereif. Wenn man die haben will und dann tatsächlich auch nachweisen will, dass das Holz legal ist, muss man natürlich auch nachweisen, von welcher Fläche es kommt und wem diese Fläche gehört. Das heißt, jetzt müssen wir uns wirklich diese Frage stellen. Es gibt dazu wirklich auch Prozesse von Regierungsseite, wie man so eine Flächen registrieren kann und mittlerweile sind es relativ viele Bauern, mit denen wir arbeiten. Wir sind jetzt bei 1300 und unsere Hoffnung ist, dass wir in ein paar großen Schwüngen die Legalisierung kriegen. Der Prozess für jedes einzelne Feld ist aufwendig und kompliziert und für die Bauern undurchsichtig und wir hoffen, dass wir aufgrund dessen, dass wir so viele Flächen haben und wirklich einen Rohstoff produzieren, den die Industrie sehr schätzt und wo die Regierung dahinter steht und sagt, dass es ein Baustein für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung ist, dass wir das nutzen können und damit den Bauern auch dauerhaft die Landrechte in die Hand geben können.

Gunda: Ja, das ist manchmal nicht so einfach mit dem Land, das stimmt auf jeden Fall.

Was sind das für Bäume – du hast vorhin gesagt, es sind schnellwachsende Bäume? Wie heißen die denn?

 

Wolfgang: Also, das ist eine Art, die im Westen nicht bekannt bzw. nicht die bekannteste ist. Ein Holzhändler in Europa würde es wahrscheinlich kennen unter Albisia oder Albizia mit z. Im indonesischen heißt die Art Sengon.

Es ist eine sogenannte Pionierbaumart. Man kann sich das so vorstellen, wenn irgendwo ein Stück Land ist und gibt’s irgendwie eine Disruption, also Erdrutsch, Überflutung oder Feuer – irgendwas was eben, was dazu führt, dass dann ein Stück Wald zerstört wird. Wenn man dann ganz lange und ganz geduldig ist, dann regeneriert sich das ja irgendwann auch und die Pionierbäume sind die Bäume, die als erstes kommen. Die haben die Eigenschaft, dass sie relativ schnell wachsen und dass sie auch mit nicht idealen Boden-Konditionen zurechtkommen.

Das macht sie natürlich ziemlich ideal für den Einsatz, den wir da fahren. Schnellwachsend heißt eben auch leicht und darum sind die Anwendungsfälle für diese Hölzer eigentlich hauptsächlich als Sperrholzplatten, Tischlerplatten. Man nennt diese ganze Familie „Technische Holzprodukte“. Von denen werden ziemlich viele produziert für Möbel, für Innenausbau, für Verschalungen zum Beton gießen – also rauf und runter gibt’s da Anwendungsfälle.

Und in vielen Fällen ist das leichte Gewicht ein totaler Vorteil. Wenn man jetzt z. B. des Interior eines Caravan oder Zuges oder Schiffs macht, umso leichter das Material ist, umso leichter ist das Gefährt und umso weniger braucht man Strom oder Benzin oder was auch immer. Darum gibt es auf jeden Fall Märkte, die ganz explizit nach diesen Sachen suchen und das ist natürlich gut, denn damit haben die Bauern dann auch die Möglichkeit, es zu verkaufen.

Gunda: Super. Das heißt, ihr schult die Bauern, ihr gebt ihnen die Werkzeuge in die Hand, damit sie wissen, was sie brauchen und dann kümmern sie sich selber um ihre Felder.

Wolfgang: Genau, das ist im Endeffekt unser Ansatz. Also wir führen Trainings durch, wo es wirklich um das ganze Ding geht – vom Feld vorbereiten, Baum pflanzen, Baum pflegen, Unkraut bis Ernten und gleichzeitig natürlich auch das ganze Thema Setzlingsproduktion und -verteilung.

Das ist nämlich nochmal voll die krasse Qualitätsschraube. Wenn die Setzlinge aus der Baumschule gut sind, dann werden die Bäume richtig gut und wenn sie schlecht sind, dann haben die Bauern eigentlich keine Chance.

Das haben wir auch relativ früh verstanden, dass wir auch irgendwie selber tätig werden müssen und nicht einfach auf gut Glück irgendwas irgendwo zusammen kaufen. Aber die ganze Arbeit tatsächlich auf der Fläche machen die Bauern und die sind dann auch letztendlich die, die den Nutzen haben, wenn das Holz nächstes Jahr in den Verkauf kommt.

Die Idee ist natürlich dann, dass das dann nicht abgeholzt wird und dann war es ein schönes Projekt, sondern dass danach wieder gepflanzt wird.

Gunda: Du hast auch vorhin schon mal was gesagt von Nahrungsmittel anpflanzen. Es geht nicht nur um Bäume, sondern ihr habt noch den Fokus auf Nahrungsmittel. Wie sieht das denn aus?

Wolfgang: Genau. Also es gibt ein Konzept, das betreiben ganz schön viele Leute rund um die Welt, das ist Agroforstwirtschaft – also agriculture = Landwirtschaft und Forstwirtschaft kombiniert. Das heißt eigentlich nur, dass man irgendwie ein landwirtschaftliches Setting hat, also irgendein Feld und in irgendeiner Form sind da Bäume integriert. Manchmal stehen die einfach außen rum für 1 km entlang der Grenze.

Ich habe letzte Woche hier ein paar Kleinbauern in Kenia besucht, die pflanzen mitten in ihrem Feld irgendwelche Kürbisse an und dann steht da ein Mangobaum oder ein Avocadobaum mittendrin.

Bei uns in Borneo machen wir es eigentlich so, dass das nicht nur die Bäume sind, sondern dazwischen stehen dann einfach verschiedene andere Sachen wie Kakao, Gemüse. Wir haben mittlerweile auch ein paar Obstbäume, die da noch mit rein kommen, Chilis, Ingwer, Cassava. Wobei wir es auch ein bisschen den Kleinbauern selber überlassen. Wir unterstützen sie dabei, aber wie viel sie da machen wollen, ist ihnen selber überlassen.

Denn im Gegensatz zu den Bäumen, die am Anfang ein bisschen mehr Arbeit machen, aber dann einfach für sich selber wachsen, ist die Landwirtschaft tatsächlich etwas, wo man eigentlich jeden Tag, jede Woche ziemlich viel Arbeit reinstecken muss. Manche Leute haben die Zeit und die machen das gern, die haben dann ganz viel dazwischen gepflanzt und für andere ist es eher eine Nebenbeschäftigung. Oder es gibt welche, die haben ein Stückchen Land von der Familie und pflanzen da die Bäume drauf, aber manchmal auch keine Zwischenfrüchte rein. Das ist aber auch in Ordnung.

Unser Ansatz soll ja eigentlich immer möglichst gut auf die Bedürfnisse von jedem Einzelnen eingehen und darum ist da auch ein bisschen Spielraum drin, wie die das dann machen wollen.

Gunda: Ja, ich denke, damit das auch langfristig von Dauer ist, muss man die Leute dazu motivieren und ihnen auch Unabhängigkeit geben, oder? Damit sie das mit gutem Gewissen selber entscheiden können, denke ich.

 

Wolfgang: Absolut, absolut. Es hilft einfach nichts, wenn herkommen und irgendwelche Regeln vorschreiben, wie das jetzt genau geht. Das führt ja entweder nur dazu, dass die Leute keine Lust haben, mitzumachen oder dass sie die Regeln dann halt brechen.

Ich meine, so gewisse Sachen sind klar – wir versuchen natürlich, möglichst viel Wissen weiterzugeben, wie man es gut macht oder wie man es besser macht, aber ein bisschen Eigenverantwortung für jeden Bauern muss dabei sein.

Ob er dann tatsächlich nach dem Setzling pflanzen in den ersten paar Wochen drauf guckt, dass da kein Unkraut wächst oder das dann nicht macht – da man könnte bestimmt rumfahren und alles kontrollieren, aber ich halte das nicht für zielführend. Da muss schon Verantwortung vorhanden sein.

Gunda: Ja, aber scheint auch gut angenommen zu werden, oder? Wenn es ja schon so erfolgreich ist. Die Kleinbauern sind ja bestimmt damit auch zufrieden.

Wolfgang: Also wir haben auf jeden Fall den Eindruck. Im ersten Jahr, als wir wirklich ganz am Anfang waren, war es was schwierig ein paar mutige Freiwillige zu finden, die das irgendwie mit uns ausprobiert haben. Aber schon im zweiten Jahr hatten wir Glück, denn zwei von den Feldern aus dem ersten Jahr lagen an der Straße und die haben super performt und dann standen da nach einem Jahr drei Meter hohe Bäume drauf.

Das war die beste Werbung, die wir uns vorstellen können. Und seitdem haben wir eigentlich immer viele Interessenten und arbeiten jetzt gerade in zwei Landkreisen und sind aktuell am überlegen, ob wir noch einen dritten für nächstes Jahr oder spätestens übernächstes Jahr dazu nehmen. Wir sehen einfach die Nachfrage ist da.

Das kommt natürlich auch immer so ein bisschen drauf an, ob wir das finanzieren können. Wir können nicht einfach sagen: okay, jetzt machen wir Setzlinge für alle. Natürlich können wir auch nicht an allen Orten in Zentral-Kalimantan gleichzeitig tätig sein, aber wir versuchen natürlich schon, das Programm nach und nach auszubauen und möglichst vielen die Möglichkeit zu geben, mitzumachen.

Denn umso mehr Leute dann mitmachen in Zentral-Kalimantan, umso besser ist es dann für das Gesamtsystem, denn irgendwann wird es geerntet und weiterverarbeitet. Die Weiterverarbeitung findet momentan noch größtenteils in Zentral- und Ost-Java statt und die Hoffnung ist aber natürlich, wenn genügend Rohmaterialien in Kalimantan auf der Fläche stehen, dass wir dann vielleicht eins von den Unternehmen, mit denen wir schon eine Weile zusammenarbeiten, irgendwann davon überzeugen können, ihre Fabriken in Palangka Raya anzusiedeln.

Das wäre natürlich gut, denn dann hätte man kürzere Transportwege und es würden mehr Arbeitsplätze in Kalimantan entstehen und man hätte ein Beispiel dafür geschaffen, dass Kalimantan nicht immer nur der Ort ist, an dem irgendwelche Sachen produziert werden und die Weiterverarbeitung und Wertschöpfung findet dann woanders statt – so wie es mit Tropenholz, Kohle, mit den Eisenerzen, mit dem Palmöl, mit dem Gold etc passiert. Die Region ist immer nur ein Rohstoff produzierendes Gebiet gewesen und die Verarbeitung findet woanders statt.

Gunda: Kannst Du einschätzen, was aus den Flächen geworden wäre, wenn ihr nicht gekommen wärt? Hätten die Bauern das dann weiter bepflanzt oder hätten die das verkauft?

Wolfgang: Also ich glaube wirklich, ein guter Teil davon wäre zu Palmöl geworden. In Indonesien war jetzt die letzten Jahre dieses Moratorium für neue Konzession, das heißt, es wurden keine neuen Konzessionsflächen vergeben.

Aber da geht’s ja nur um diese großen 25 000 Hektar Flächen, die ein Unternehmen bei der Regierung beantragt und dann irgendwie für eine gewisse Zahl von Jahren bewirtschaften darf. Es gab jetzt kein generelles Verbot, Palmöl anzubauen oder ähnliches.

Und dadurch, dass es eben keine neuen Konzessionen gab, haben die Unternehmen nach anderen Flächen gesucht und haben in vielen Ortsteilen auch Bauern das Land abgekauft oder sind mit ihnen irgendwelche Partnerschaften eingegangen, dass da Palmöl drauf kommt und dass sie das dann aufkaufen.

Andere Flächen, vermute ich, würden heute einfach brachliegen und ja, wenn sie lange genug brachliegen, dann regenerieren sie sich irgendwann natürlich. Aber das funktioniert halt eigentlich nur, wenn du relativ gesunden, intakten Wald hast und keine kaputten Flächen, denn dann können Samen und so weiter sprießen und dann wächst da langsam was nach.

Aber in Borneo ist das ganze Regenwald Ökosystem schon ziemlich ramponiert und viele Flächen sind abgeholzt. Da wachsen dann irgendwie Gras und Büsche und die verhindern auch so ein bisschen, dass da Bäume nachwachsen. Bei anderen Waldflächen sind einfach alle wertvollen Hölzer herausgenommen, das heißt, da fehlen relevante Arten für einen intakten Regenwald und dann gibt es natürlich schon auch noch kleine Inseln mit intaktem Regenwald dazwischen, aber die schaffen es eben nicht, die Regeneration zu unterstützen.

Ich muss dazu sagen, das, was ich jetzt gerade beschrieben habe, ist sicher nicht überall auf der Insel die Realität. Im Inselinneren gibt schon noch relativ große, intakte Regenwälder, aber die sind schon auch zurückgegangen in den letzten Jahren.

Und da ist natürlich die Hoffnung, dass wir da einen kleinen Beitrag dazu leisten können, dass die vielleicht irgendwie bestehen bleiben oder sich dann irgendwann auch wieder erholen können.

Gunda: Ich denke es ist unglaublich wichtig, Alternativen für die Einheimischen aufzuzeigen, denn ich weiß nicht, woher ich die Info habe, aber ich habe auch schon gehört, dass er Palmölanbau doch sehr lukrativ sein kann für Kleinbauern und dass es ja doch irgendwo sehr begehrt ist. Was sich für uns erstmal schockierend anhört.

Daher denke ich, es ist unglaublich wichtig, eine Alternative aufzuzeigen, damit sie nicht irgendwann alles verkaufen.

Wolfgang: Ja, absolut. Oder selber es umwandeln. Palmöl bzw. die Pflanze per se ist ja nicht böse, sondern nur die Art und Weise, wie das kultiviert wird. Es ist immer eine Monokultur und es ist immer mit massivem Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger und was weiß ich noch alles verbunden. Es hat schlimme Auswirkungen auf die ganze Umgebung drumherum. Wenn man mal durch eine Palmölplantage läuft, dann ist da alles tot. Es gibt keine Vögel, kaum Tiere und Insekten relativ begrenzt.

Das ganze Zeug wird dann natürlich auch nicht immer nur sachgemäß und wohldosiert eingesetzt, das heißt da gibt’s auch ziemlich viel Run-Off – also, dass dann halt übrig gebliebener Dünger und Pestizide irgendwie in die Flüsse kommt. Dann sterben da drin die Fische, die wiederum die traditionelle Nahrungsquelle für die Leute vor Ort sind, die dann auch nicht mehr zur Verfügung steht.

Das greift einfach total um sich und von daher – ja. Was wir aber auch gefunden haben ist, dass viele Leute das schon auch sehen. Die sehen damit kann man Geld verdienen, aber das hat auch jede Menge Konsequenzen, die man sich nicht wünscht und von daher sind die Leute relativ offen für alternative Vorschläge, die eben nicht ihre Lebensgrundlagen gleichzeitig unterminieren.

Gunda: Es hört sich auch nach ziemlich viel Arbeit an, was ihr da macht. Von eurem Team her – wie seid ihr denn aufgestellt? Ihr habt bestimmt auf jeden Fall Experten auf dem Gebiet – also ich kenne mich damit jetzt eher wenig aus, ich bin eher auf dieser Umwelt Seite – aber gerade was Forstwirtschaft betrifft und dann auch die Holzverarbeitung: Wie ist denn da euer Team? Erzähl doch mal ein bisschen was dazu.

Wolfgang: Genau, ich habe es vorhin schon gesagt, ich bin ich bin jetzt auch nicht so unbedingt ein Forstwissenschaftler. Ich habe natürlich in den letzten acht Jahren viel dazu gelernt, aber das ist ja auch nicht meine Rolle.

Ich glaube vom Bildungshintergrund sind tatsächlich Forstwissenschaftler die größte Gruppe in unserem Team. Wir sind insgesamt 60 Leute. Der Schwerpunkt natürlich in Indonesien und Uganda – in Deutschland sind weniger als zehn, in den beiden Ländern jeweils 25.

Wir setzen sehr stark drauf, tatsächlich Einheimische einzustellen. Es gibt ja in der Entwicklungszusammenarbeit oft auch dieses Ding, dass irgendwie europäisches Fachpersonal in der Welt rum geschickt wird – und ich muss zugeben, ich habe ja so auch angefangen, aber wir haben ganz bewusst drauf gesetzt, vor Ort wirklich relativ junge Leute einzustellen, sie lange an uns zu binden und dann weiter zu qualifizieren.

Das hat dazu geführt, dass wir jetzt gerade tatsächlich auch während den ganzen Corona Bedingungen, wo niemand reisen konnte, was Bäume pflanzen angeht ziemlich funktionsfähig geblieben sind. Da die Teams vor Ort verwurzelt waren und niemand irgendwie im Lockdown 5000 km von zu Hause weit weg Zustände bekommen hat und nach Hause gehen musste. Das hat uns sehr geholfen.

Wir haben einen Holzingenieur in Uganda sitzen, der Schweizer ist und wir haben immer mal wieder eine Forstwissenschaftlerin aus den USA in Indonesien, die ihren Schwerpunkt auf Datenverarbeitung und Skartierung hat. Das sind tatsächlich die Kernaufgaben.

Setzlinge produzieren, Bauern trainieren, Setzlinge verteilen, Bauern betreuen, das sind dann tatsächlich Einheimische in beiden Ländern.

Gunda: Ja, das hat dann mit Einheimischen auch länger Bestand.

Wie ist es denn, wenn jemand sagt – also, wenn die Situation wieder normal ist – wenn jemand mithelfen möchte, so in Richtung Freiwilligenarbeit, kann man das bei euch auch machen?

Wolfgang: Also ich sag mal, dadurch, dass wir ja selber die Bäume nicht pflanzen, ist das nicht so leicht. Wir hatten auch schon öfters die Anfrage, wo irgendwie Leute mithelfen wollten. Die haben sich dann vorgestellt, dass sie nach Borneo fahren und Bäume pflanzen.

Also wenn jemand daran Interesse hat, kann ich gegebenenfalls wahrscheinlich schon irgendwelche Bauern vermitteln, aber das ist ja dann alles die Aufgabe der Bauern. Da müsste man eigentlich beim Kleinbauern einen Freiwilligendienst machen.

Was für uns natürlich immer interessant ist, sind Leute, die Kommunikationsskills haben, die gut Social Media machen, die gut filmen oder fotografieren und so weiter. Die sich vorstellen können, in die Länder zu gehen für ein Weile und dann einfach einen Schwung Material zu produzieren.

Wir machen da auch selber relativ viel, aber für eine Nonprofit-Organisation ist das eigentlich immer so das Ding, wie viel Geld möchte man dafür ausgeben, Werbung für sich selber zu machen und zu gucken, wie man seine Sachen finanziert kriegt.

Gunda: Das wäre gleich meine nächste Frage: Wie finanzieren sich denn die Projekte?

Wolfgang: Wir haben da einen ziemlichen Blumenstrauß, wir haben Fördergelder von der Bundesregierung, also BMZ. Wir haben, gerade nicht, aber in der Vergangenheit auch mal Umweltministerium, internationale Klimaschutzinitiative. Wir haben Sponsoring Partnerunternehmen, die diese Projekte unterstützen und wir kriegen Spenden von ganz klein bis ganz groß war da schon alles dabei.

Und damit kriegen wir die Sachen schon finanziert, aber es ist halt trotzdem jedes Jahr so – das kennt wahrscheinlich jeder, der mal irgendwas mit einer Nichtregierungsorganisation zu tun hatte – es ist schon immer ein bisschen wackelig.

Ich kann mich nicht beschweren, wir sind auch gewachsen über die letzten acht Jahre werden und haben und entwickelt. Das Uganda Länderbüro ist auch erst 2018 dazu gekommen. Wir waren in der Lage, ein zweites Büro aufzumachen, aber es ist natürlich trotzdem jedes Jahr immer eine Herausforderung, dass wir aus den Quellen die Mittel zusammen kriegen, um die ganzen Sachen auch zu bezahlen.

Gunda: Das heißt am leichtesten kann man euch einfach mit einer Spende unterstützen?

Wolfgang: Genau, das ist jederzeit hochwillkommen. Es gibt es auch mehrere Optionen auf unserer Website Fairventures. Dort kann man sich aussuchen: nur monatliche Unterstützung, einmal Unterstützung, Geschenkurkunden jetzt vor Weihnachten.

Wir machen mittlerweile auch in Zusammenarbeit mit einem Chocolatier aus dem Kakao unseres Projekts Urwald-Schokolade, bei der dann 50 Cent für jede verkaufte Tafel zurück in unser Projekt fließt.

Das wäre vielleicht für Geschenke und so weiter auch ganz interessant, aber Spenden sind natürlich hoch willkommen und am besten eigentlich wiederkehrende, wenn auch kleine Beträge – aber dafür wiederkehrend, denn die Stabilität ist eigentlich das Beste, damit wir wirklich ein bisschen Planungssicherheit haben.

Gunda: Ja, verständlich.

Was ist denn noch für die Zukunft geplant, also speziell jetzt Kalimantan? Ihr habt ja da auch ein Projekt mit ein paar Millionen Bäumen, habe ich gehört.

Wolfgang: Ja, genau.

Also wir haben damals als wir angefangen haben, unsere erste Phase „One Million Trees“ genannt bzw. unser Projekt und das erschien uns damals als eine abstrus hohe Zahl. Es war voll das ambitionierte Ziel, das wäre vielleicht irgendwie in zehn Jahren erreichen wollten, aber wir wollten halt damit kommunizieren, dass wir was bewegen wollen  und nicht einfach 100 Bäumchen verteilen und uns dann auf die Schulter klopfen und sagen: Jetzt haben wir ein gutes Projekt gemacht.

Wir dann tatsächlich Anfang 2020 die Millionen Setzlinge an die Bauern verteilt gehabt und dann haben wir im selben Spirit gleich gesagt: alles klar, jetzt brauchen wir das nächste halsbrecherische Ziel und haben gesagt: jetzt machen wir 100 Millionen Bäume.

Das ist natürlich ein krasse Dimension und das wird auch eine gute Weile brauchen, dahin zu kommen – wenn das überhaupt funktioniert, aber wir haben halt auch gemerkt, wir haben in den ersten acht Jahren super viel gelernt.

Wir sind effizienter geworden, wir haben weniger Ausfälle an allen Stationen des Weges und wir haben Partner, wir haben andere Modelle, die wir pflanzen. Von daher, es ist nicht ganz so krass, wie sich anhört, aber doch noch ziemlich herausfordernd.

Aber das scheuen wir auch nicht, das wollen wir auch. Ich meine, 1 Million Bäume klingt halt auch erstmal so viel, aber das sind tausend Hektar. Das ist für die ganze Welt ein Nadelstich und selbst für Borneo ist das ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wenn man da wirklich was bewegen will, dann muss man groß denken.

Gunda: Ja und man muss sich hohe Ziele setzen, damit man die dann auch erreichen kann.

Wolfgang: Absolut, genau.

Und über den ganzen Bereich Aufforstung wird mittlerweile mit dem Hintergrund vom Klimawandel ganz viel darüber geredet, dass das eins von den guten Mitteln ist. Es stimmt ja auch, denn die meisten anderen Mittel reduzieren ja einfach CO2 Emission. Wenn ich meinen Strom von Kohlekraftwerk auf Windkraftwerk umstelle, dann gehen die Emissionen runter und es wird weniger CO2 in die Atmosphäre abgegeben.

Aber Bäume sind halt eigentlich das einzige gangbare Mittel, wie man aus der Atmosphäre wieder CO2 rausziehen kann.

Aber die Zahlen, über die da geredet wird im Zusammenhang – von wegen wie viele Bäume müssen wir pflanzen, um den Klimawandel aufzuhalten – das sind halt 900 Millionen Hektar oder irgendwas, die da gepflanzt werden müssten.

Das ist natürlich unrealistisch, das wird keiner hinkriegen. 900 Millionen Hektar ist eine unvorstellbar große Zahl, noch viel schlimmer als 100 Millionen Bäume. Aber damit wir dieses gute Mittel wie Bäume pflanzen wenigstens teilweise einsetzen können, müssen wir wirklich drüber nachdenken, wie können wir Systeme bauen, dass wir nicht darüber reden: Und jetzt noch mal 100 Bäume und noch mal 100 Bäume und noch mal 100 Bäume, sondern es wirklich in größeren Dimensionen angehen.

Das versuchen wir halt mit dem Einsatz und mit dieser Verbindung zur Industrie, dass da ein Treiber dahinter ist, also wirklich ein ganzer Sektor, der sagt: da kommt unsere Ressourcen her, davon hängt unsere wirtschaftliche Existenz ab, also müssen wir auch dafür sorgen, dass da immer aufgeforstet wird und dass da immer nach geforstet wird.

Gunda: Super, ja. Sehr guter Ansatz auf jeden Fall.

Dann würde ich dich gerne noch zum Abschluss ein bisschen was persönliches zu deiner Zeit in Indonesien fragen. Das ist ja jetzt schon eine Weile her, aber dir bestimmt noch in Erinnerung. Was war denn am schwierigsten? Was war am schönsten? Was sind Dinge, die du daraus mitnehmen kannst? Was fällt dir denn dazu ein?

 

Wolfgang: Ich habe es ja vorhin schon gesagt, nach Indonesien zu gehen, war ein Sprung ins kalte Wasser, aber einer der besten Entscheidungen überhaupt. Ich glaube schon, dass der der Einstieg in Indonesien sicherlich nicht ganz leicht war. Ich bin von der Uni gekommen, habe bin Tübingen Geisteswissenschaften studiert, das ist ja schon auch eine relativ spezielle Bubble.

Dann Borneo und Kleinbauern – da dann wirklich irgendwie zu gucken, okay, wie interagiert man mit den Leuten, einfach sich da reinzufinden. Die Indonesier kommunizieren ja manchmal auch recht indirekt, also ziemlich gegensätzlich zu dem, wie das in Deutschland ist, wo man manchmal lieber unfreundlich und direkt kommuniziert. In Indonesien sind die meisten Leute eigentlich immer sehr drauf bedacht, dass die sozialen Beziehungen irgendwie unbeschädigt durch alles durchkommen, und dann werden negative Sachen oft indirekt kommuniziert.

Das ist natürlich jetzt von mir total krasse Pauschalisierungen, aber auf jeden Fall kriegt man in Indonesien sehr selten ein Nein zuhören.

Wenn man da mal jemanden fragt, mit dem man sich eigentlich ganz gut versteht: wollen wir am Wochenende irgendwie was machen – und der oder die hat keine Zeit und schreibt dann einfach nicht zurück. Das sagt genau das aus, was Nein in Deutschland heißen würde, aber das checkt man am Anfang halt erstmal nicht. Da denkt man sich, vielleicht ist er jetzt beleidigt oder so.

Und ich habe auch direkt eigentlich angefangen, zu arbeiten und habe dann ein bisschen Abendkurse in Bahasa gemacht, aber hab das halt so krautundrueben-mäßig nach und nach in meinem Arbeitsalltag gelernt so und nie so richtig formellen Sprachunterricht gehabt. Und da gibt es dann so Wörter wie „kuat“ und „keras“, beide stehen im Wörterbuch unter „stark“. Nur das eine ist wirklich stark im eigentlichen Sinne und das andere ist halt stark und intensiv im totalen negativen Sinne. Das wird auf Leute angewandt, die sich nicht im Griff haben oder jähzornig sind.

Das habe ich zweimal falsch gemacht und über irgendwelche Leute und irgendwelche Sachen gesagt, dass sie „keras“ sind, alle Leute um mich herum hatten entgleiste Gesichtszüge in die Richtung: warum ich jetzt gerade irgendwen hier in der Öffentlichkeit beleidige. Das war auch noch in einem Kontext, wo man Leute in der Öffentlichkeit wirklich nicht beleidigt.

Ich hatte echt Glück, denn die Leute, mit denen gleich am Anfang in Kontakt getreten bin und mit denen ich in den Borneo angefangen habe zu arbeiten, waren unglaublich geduldig mit mir und haben mir unglaublich viel beigebracht.

Es hatte in Indonesien dann schon immer das Gefühl, dass man als Ausländer auch in solche Fettnäpfchen treten darf, man zerschlägt da nicht gleich alles Porzellan.

Also wenn das jetzt ein Indonesier machen würde – oh je. Es wird uns aber nachgesehen, weil wir es halt nicht checken.

Das war natürlich schon so ein Ding. Und in Borneo ist es ja auch so, dass sehr wenig Leute Fremdsprachen sprechen, das heißt bis mein indonesisch es dann irgendwie getan hat, musste ich mich da schon ziemlich durchwurschteln.

Die ersten eineinhalb Jahre saß ich dann echt in irgendeinem Meeting mit den Kollegen und die Leute reden zwei Stunden auf Indonesisch und ich sitze daneben und verstehe irgendwie 3 Prozent und denk mir so, was mache ich hier eigentlich gerade,

Irgendwann hat es dann funktioniert und ich habe die Erfahrung sehr zu schätzen gewusst. Auch diese Schwierigkeiten am Anfang, wirklich mal rauszukommen aus dem europäischen Kontext, noch mal mehr als in meinem Auslandsjahr und die Gelegenheit zu haben, mit Leuten mit einem ganz anderen kulturellen Hintergrund zusammenzuarbeiten und zu sehen, wie unterschiedlich man Dinge auch angehen kann.

Indonesien hat mir glaube ich am ehesten mitgegeben, einfach mit einer gewissen entspannten Grundhaltung an Sachen ranzugehen. Da gab es so viele Sachen, gerade am Anfang, wo ich echt gedacht habe: ey, das kann nicht wahr sein. Die haben mich so unter Strom gesetzt und gestresst, aber haben sich dann einfach im Nachhinein als richtig rausgestellt.

Eine meiner liebsten Sachen ist der Prozess meiner Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Das Ding zu kriegen, war richtig schwierig und dann musste man das jedes Jahr verlängern. Man hat dann diese Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung bis zu einem gewissen Datum im Pass und danach müsste man eigentlich am letzten Tag raus oder die Verlängerung kriegen, ansonsten ist man illegal im Land.

Und dann kommt man auf dieses Datum zu und nichts passiert und man ruft an und fragt nach und es heißt: ja, ist noch im Prozess. Dann kam es wirklich drei Jahre in Folge am letzten Tag. Im ersten Jahr habe ich gedacht: was mache ich denn jetzt hier? Wenn ich ausreise, stoppe ich den Prozess, wenn ich da bleib, bin ich eventuell illegal hier. Und da verstehen die Indonesier keinen Spaß, wenn man irgendwie ohne Visum im Land bleibt, denn das haben einfach schon zu viele Leute gemacht.

Dann kam es halt wirklich immer am letzten Tag. Im zweiten Jahr war ich dann immer noch gestresst, aber im letzten Jahr beim dritten Mal habe ich dann irgendwie gesagt: okay, das ist halt einfach der Weg. Dadurch war ich gezwungen, das zu lernen.

Gunda: Was anderes bleibt einem ja nicht übrig, ne?

Wolfgang: Absolut, genau. Das habe ich dadurch mitgenommen für Krisensituationen, so wie auch die letzten zwei Jahre welche waren. Man hat ein gewisses Grundvertrauen, so in Richtung: das wird sich schon irgendwie regeln. Man muss ja nicht passiv sein, man kann natürlich schon irgendwie was tun, aber sich nicht zu stressen, sondern zu denken, dass es schon irgendwie hinhauen wird.

Das war auch hilfreich für die Art von Arbeit, die ich jetzt tue. Denn mit der gestiegenen Verantwortung in der Geschäftsleitung ist es natürlich eine ganz gute Voraussetzung. Denn wenn ich mal ganz ehrlich bin, es gibt kaum eine Woche, in der es mal nicht in irgendeiner Form irgendwo brennt.

Wir hatten jetzt auch im Sommer, während der Trockenzeit, plötzlich Klimawandel bedingten Starkregen in Kalimantan mit Überflutungen und plötzlich mussten zig Sachen umdisponiert werden. Letzte Woche haben wir unser Büro in Uganda zusperren müssen, weil es zwei Terroranschläge mit ungeklärtem Hintergrund in Kampala gab.

Das sind natürlich alles Situationen, in denen man reagieren und was tun muss, aber wenn man sich zu sehr stresst und in Panik verfällt, hilft das ja nicht so.

Und das hat mir wirklich Indonesien beigebracht, da einigermaßen einen kühlen Kopf zu bewahren und ruhig bleiben und das Urvertrauen beizubehalten.

Gunda: Das ist doch ein schönes Schlusswort für uns bzw. den Abschluss.

Wie geht’s denn weiter, wie sind denn deine Pläne oder eure Pläne allgemein für die Zukunft – außer die 100 Millionen Bäume natürlich?

Wolfgang: Also aus Organisationssicht, ich glaube, die Welt wacht langsam auf gegenüber dem ganzen Klimawandel-Problem, auch wenn jetzt z. B. Glasgow wieder nicht den großen Durchbruch gebracht hat. Wir sehen wir mittlerweile, dass relativ viele Unternehmen selber tätig werden wollen und das ist eine Richtung, in die wir uns jetzt auch entwickeln wollen: unsere Baumpflanz-Projekte und den Klima-Aspekt da wirklich genau zu dokumentieren und zu schauen, dass man den Bedarf und die Kapazitäten zusammenbringt. Und das natürlich auch eine gewisse Stabilität in die Finanzierung reinkommen kann, das ist tatsächlich wichtig für uns.

Für mich privat: Wir sind jetzt seit März hier in Kenia und ich denke, wir werden die nächsten paar Jahre hier sein und dann aber ganz sicher auch wieder nach Deutschland zurückkommen. Nach Indonesien waren wir auch erstmal viereinhalb Jahre in Deutschland und das soll auch so sein. Ich habe mich nie als Auswanderer verstanden, ich habe immer noch einen starken Bezug zu Deutschland, aber ich finde trotzdem, wenn man die Gelegenheit hat, auch in anderen Ländern zu leben, dass es so bereichernd sein kann und man die Gelegenheit ergreifen sollte.

Aber wie das jetzt im Detail dann alles genau wird, das schauen wir dann, wenn es soweit ist.

Gunda: Okay. Du hast vorhin schon was von der Website gesagt. Ihr habt eine Website, die werde ich auch verlinken. Seid ihr auch auf Facebook und Instagram?

Wolfgang. Ja, also Fairventures Worldwide ist das. Es gibt auch noch ein paar andere Fairventures, die sind aber nicht mit uns verbandelt. Wir sind Fairventures Worldwide mit einem Logo wie ein Kreis aus orangenen, roten und gelben Bestandteilen. Das sind wir und auf Facebook und Instagram sind wir einfach unter Fairventures Worldwide.

Gunda: Okay, super.

Dann habe ich zum Abschluss meine letzte Frage: Was hast du während deiner Zeit in Indonesien aus Deutschland am meisten vermisst und auch umgekehrt bzw. jetzt im Moment: Was gibt’s da spezielles aus Indonesien, das du vermisst?

 

Wolfgang: Ja, also in erster Linie sind das natürlich Leute, das ist sicherlich ganz klar.

Als ich wieder in Deutschland war, habe ich auf jeden Fall das indonesische Klima vermisst und darum jetzt auch mit Kenia wieder, es ist ein tropisches Land. Winter ist einfach nicht unbedingt für mich, ich finde es sehr gut, wenn es rund ums Jahr T-Shirt Wetter hat und komme sehr gut mit hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit klar, das mag ich ganz gerne.

Dann auch ein paar so Essens-Sachen. Es gibt ja das Klischee will, dass alle Deutschen im Ausland immer so unglaublich das deutsche Brot vermissen – das war bei mir nicht so. Einen guten Joghurt habe ich in Indonesien immer vermisst, denn die essen ja nicht so viele Milchprodukte. Die meisten Südostasiaten vertragen es nicht.

Und wenn ich nicht in Indonesien bin, vermisse ich tatsächlich Tempe, die gepressten Sojabohnen, die wie Tofu sind, aber nicht wie Tofu schmecken. Das gibt es ja eigentlich nur in Indonesien und schmeckt unglaublich gut.

Gunda: Das stimmt, ich liebe auch alle Gerichte mit Tempe drinnen.

Wolfgang: Ja, oder in Streifen geschnitten mit Erdnüssen und Chilis – ah, so gut!

Gunda: Ich werde später eine Runde für dich mitessen.

Wolfgang: Ja, kannst mir ja ein kleines Paketchen schicken – würde ich auch nicht Nein sagen.

Gunda: Ja, wenn’s möglich wäre, gerne.

Wolfgang: Ja, ich muss mal gucken. Ich habe gestern gehört, dass hier bei der UN tatsächlich auch 2 Indonesier arbeiten, die muss ich mal fragen. Vielleicht hat einer von ihnen eine heimische Tempe Produktion.

Gunda: Ja, man kann es ja auch ganz gut selber machen,

Wolfgang: Genau, wenn man die richtigen Sachen hat.

Sojabohnen…

Gunda: Und die Hefe oder den Pilz. Das wäre so die eine Möglichkeit.

Wolfgang: Ein kleines bisschen Indonesien in Ostafrika.

Gunda: Ja, genau.

Wolfgang, schön, dann sind wir eigentlich jetzt schon am Ende von unserem Gespräch. Es hat mich super gefreut, dass es geklappt hat und fand es auch ganz spannend. Ich finde es immer toll und wichtig, solche Projekte in die Welt zu tragen und weiterzugeben.

Ich wünsche euch ganz viel Erfolg mit euren 100 Millionen Bäumen und hoffe, dass das ganz schnell erreicht wird und auch für dich alles Gute in Kenia.

Wolfgang: Ja, herzlichen Dank dir noch mal. Danke für die Einladung, hat mich sehr gefreut.

Gunda: Sehr gerne.

Bis zum nächsten Mal, tschüss.

Wolfgang: Tschüss.

Das war Coconut-Talk, dein Podcast über das Leben in Indonesien.

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Bis zum nächsten Mal, Sampai jumpa!

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Gunda

lebt seit 2017 in Indonesien und ist seit 2019 selbstständig als Autorin & Auswanderberaterin

Katha

lebt seit 2019 in Indonesien und ist seit 2020 selbstständig als VA und VA-Mentorin

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